
Robert Sommer
Zwischen Vogelfreiheit und Kunstmarktzwang: Bakos Tamás — ein österreichisch-ungarisches Märchen
Manchmal nimmt das Leben märchenhafte Züge an. Dreizehn Jahre lang hat Bakos Tamás, geboren 1976, in den Straßen und Unterführungen der ungarischen Hauptstadt gelebt. Ein Galerist aus Wien staunte über die Qualität und den Umfang des Œuvres. Seither hat Budapest einen Obdachlosen weniger. Der Künstler, Ausstellungskurator, Kunst- und Medientheoretiker Peter Weibel vertrat im Kulturjournal des ORF die Meinung, dass die Mehrheit der Künstler und Künstlerinnen »Komplizen des Marktes« seien. Für Bakos Tamás – den Maler, der aus dem Abseits kam – trifft das zu und gleichzeitig auch ganz und gar nicht.
Komplize ist er, weil er die Mechanismen des Kunstmarktes benutzt, in den ihn – seit er im Winter 2014/15 in Wien entdeckt wurde – alle Freunde gutgemeint hineindrängten. Die Verantwortlichen seiner »Apotheose«: seine seit geraumer Zeit in Wien lebende Schwester Anna, der Verleger und Alte Schmiede-Chef Walter Famler und der afrikanische Galerist Benedict Onyemenam, der mitten in der City seine Galerie Herz von Afrika betreibt und deren Keller dem Ungarn einige Zeit als provisorisches Atelier zur Verfügung stand. Im Keller des Kunstmarktes angelangt, kann ja auch nur die Aussicht auf den kommenden Hype schon das Kapital für die nächsten Projekte sein. Eine günstige Prognose bezüglich Bakos Tamás genügte einem privaten Mäzen, der ungenannt bleiben möchte. Er verschaffte dem Gast aus Ungarn eine zunächst auf ein Jahr befristete Wohnung in Meidling zum Gegenwert von verkaufbaren Bildern. Andrerseits hat dieser in den letzten dreizehn Jahren seines Lebens – es war ein Leben ohne die sprichwörtlichen eigenen vier Wände in einer europäischen Metropole, in der Obdachlose noch um einen Grad vogelfreier und verdammter sind als in Wien – am Markt völlig vorbeigelebt – wenn man von den kleinformatigen Bildern absieht, die er einmal um 1000 Forint verkaufen konnte. […]