
Das Haus steht leer …
Juri Andruchowytsch im Gespräch mit Erich Klein
Erich Klein: In einem Essay sprechen Sie von der Notwendigkeit, die Vergange heit von der Zukunft und die Zukunft von der Vergangenheit zu befreien. Warum wollen Sie die Geschichte loswerden?
Juri Andruchowytsch: Es geht mir nicht darum, rein geschichtswissenschaftliche Texte zu schreiben, die für mich grundsätzlich interessant sind; mehr interessiert mich aber das, was ich von heute aus interpretieren kann. Die Vergangenheit ist ein wichtiger Teil der menschlichen Struktur – ohne diese Komponente wäre sie höchst gefährdet. Mich haben immer Brücken interessiert, die mich mit dem Teil der Welt, in dem ich lebe, und einem anderen, der zum Beispiel Europa heißt, verbinden – selbst wenn diese Brücken nicht mehr existieren. Kürzlich hörte ich von der Geschichte der Konzentrationslager bei Thalerhof in der Nähe von Graz – einer dramatischen Episode aus dem Ersten Weltkrieg. Dort wurde im September 1914, gleich zu Kriegsbeginn, ein Lager für internierte Westukrainer aus Galizien, Bukowina und aus Transkarpathien eingerichtet, für Menschen, die sich als »russophil«… mehr