
Michael Hammerschmid (Konzept und Moderation) schreibt:
Das Wort Poliversale könnte man als eine Chiffre verstehen, die alles mit allem verbindbar erscheinen lässt. Ein universales Vermögen, eine Utopie, eine sprachliche Utopie ließe sich darunter verstehen, dass alles sagbar und sangbar, ausdrückbar, ist mit den Mitteln der Poesie. Und eine gesellschaftliche, dass dieses Sagen und Ausdrücken ganz grundsätzlich zu einer Gesellschaft gehört, die sich tätig, findig, mutig und neugierig nicht in irgendwelche Grenzen weisen lässt, sondern stets weitersucht und sich immer neu erfindet. Weite, Möglichkeiten, Offenheit, Verbindungen und Verbindlichkeit (nicht Verbindlichkeiten) wären somit der Ausgangspunkt im Ausgangswort, der Grundton, auf den dieses Festival gestimmt ist. Diese Utopie ist vermutlich in jeder Kunst, wenn auch in der Lyrik ganz besonders, angelegt. Ein Streben nach Erweiterung, nach Erforschung neuer Mittel und Wege des Ausdrucks, der Wahrnehmung, des Menschen. Den dieser Utopie entgegenstehenden Pol bilden freilich die Bedingungen, das Erbe, die inneren und äußeren Zwänge, Zensuren, die Gewohnheiten, die Sprachen
selbst, die Mechanismen von Gesellschaft und Körper und: die individuellen Möglichkeiten, das Temperament, das Wissen. Aus beidem, der mutiger Neugierde geschuldeten Erweiterung der sprachlichen Setzung und der genauen Wahrnehmung äußerer und innerer Grenzen, entsteht letztlich Dichtung, die ihre Notwendigkeit erst gewinnt, wenn sie größte Offenheit mit größter Genauigkeit im Umgang mit Empfindungen, Prägungen und anderen Gegebenheiten paart. In dieser Spannung artikulieren alle zur Poliversale eingeladenen Dichterinnen und Dichter ihre poetischen Sprechweisen. Und machen dabei ganze Biographien des Schreibens und Lebens und deren (literatur)gesellschaftliche Verhältnisse lesbar, sind also ein Quell und eine Form, Aussage und Reaktion, Reflexion und Tat. …