
Isabell Lorey
Die Regierung der Prekären
Auszug aus: Isabell Lorey: Die Regierung der Prekären (Verlag Turia+Kant, 2012)
Wenn wir Prekarisierung nicht verstehen, verstehen wir weder die Politik noch die Ökonomie der Gegenwart. Prekarisierung ist kein Randphänomen, weder im deutschsprachigen Raum noch in Europa. Sie lässt sich in den führenden okzidentalen Industriestaaten des Neoliberalismus nicht mehr an die soziogeographischen Räume der Peripherie auslagern, wo sie nur die Anderen betrifft. Prekarisierung ist keine Ausnahme, sondern die Regel. Sie breitet sich in jene Räume aus, die lange als sicher galten. Sie ist zu einem Regierungsinstrument geworden und zugleich zu einer Grundlage kapitalistischer Akkumulation, die der sozialen Regulierung und Kontrolle dient.
Prekarisierung bedeutet mehr als unsichere Arbeitsplätze, mehr als die mangelnde Absicherung durch Lohnarbeit. Sie umfasst als Verunsicherung und Gefährdung die gesamte Existenz, den Körper, die Subjektivierungsweisen. Sie ist Bedrohung und Zwang, und sie eröffnet zugleich neue Möglichkeiten des Lebens und Arbeitens. Prekarisierung bedeutet ein Leben mit dem Unvorhersehbaren, mit der Kontingenz.
Der Kontingenz ausgesetzt zu sein gilt allerdings in der säkularisierten Moderne des Okzidents in der Regel als Alptraum, als Verlust aller Sicherheit, aller Orientierung, aller Ordnung. Dieses Monster des Bodenlosen lässt sich offensichtlich auch in den postfordistischen Industrienationen des ›Westens‹ nicht mehr richtig bändigen. Die Angst vor dem, was nicht berechenbar ist, prägt Techniken des Regierens und der Subjektivierung in einer Weise, die in eine übermäßige Kultur des Messens des Unmessbaren mündet. … > weiterlesen im pdf-Dokument (Seite 2)