> Ermunterungsbrief Oktober 2015
Geschätzte den Dicht- und Erzählkünsten Verbündete,
die 41. Literatursaison der Alten Schmiede nimmt mit einer dicht gedrängten Veranstaltungsfolge Tempo auf: Am 30.9. setzt Ilija Trojanow um 19.00 Uhr seine WELTERKUNDUNG in einem Gespräch mit der weltweit präsenten Soziologin und Anthropologin Shalini Randeria, derzeit Rektorin des Wiener Instituts für die Wissenschaften vom Menschen, fort. Thema ist die globale Freistilgesellschaft: Der neue wilde Westen (Süden, Norden und Osten auch).
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Die Schriftstellerin Angelika Reitzer stellt mit ihren lesenden Autorengästen neu zu entdeckende Bücher vor, am 1. und 8.10. jeweils um 19.00 Uhr: der literarische Exzentriker Clemens Setz mit seinem Roman-Parforceritt Die Stunde zwischen Frau und Gitarre am 1.10., die suggestive Erzählerin Monika Helfer mit ihrem Roman Die Welt der Unordnung und der präzise Erzählkompositeur Wolfgang Bleier mit seiner Prosa Fischfang bei aufgehender Sonne am 8.10.
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Der Schriftsteller Herbert J. Wimmer lädt in seiner Reihe Gesellschaftsfelder: Zeitwissen für Literatur und ihre Anrainer die deutsche IT-Expertin Yvonne Hofstetter zu einem Vortrag über die Attacken der Datenwelt und ihrer künstlichen Intelligenzen auf die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger ein: 5.10.2015, 19.00 Uhr, Alte Schmiede.
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Josef Haslinger hat den aus Südafrika gebürtigen australischen Dichter John Mateer vor neun Jahren erstmals nach Wien gebracht. Das hatte die erste deutschsprachige Buchpublikation dieses bemerkenswerten literarischen Reisenden und Beobachtenden zur Folge. Mateer untersucht in Gedichten und Essays unterschiedliche Aspekte der Geschichte und der Gegenwart Europas und Afrikas, wie die frühe Ausbreitung des Islam, die Reconquista, Imperialismus, Apartheid, Afrikaner-, Christen- und Judentum.
Neue deutschsprachige Publikationen flankieren die Lesung des Autors, die australische Botschaft spendiert Wein von down under: 6.10.2015, 19.00 Uhr, Literarisches Quartier/Alte Schmiede
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Der deutsche Schriftsteller Ror Wolf zählt zu den Großmeistern der spielerischen deutschsprachigen Prosakunst, die wissenschaftliche Erkenntnisse über das menschliche Denken und Handeln in unterhaltsame bis aberwitzige Erzählkonstruktionen verwandeln. Da Ror Wolf seit vielen Jahren selbst nicht mehr öffentlich auftritt, wird der ebenfalls experimentierend ausgerichtete Wiener Schriftsteller und Musiker Daniel Wisser in einer Stunde der literarischen Erleuchtung am 12.10. um 18.00 Uhr Wolfs legendäre Erzählung Pilzer und Pelzer nach vorangegangener Abstimmung mit dem Autor in Erinnerung rufen.
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Der in Wien und Bukarest lebende deutsche Schriftsteller Jan Koneffke stellt danach um 20.00 Uhr den dritten Roman über die pommersche Familie Kannmacher, Ein Sonntagskind, vor, deren Abkömmling Konrad nach früher Kriegsbegeisterung in der Bundesrepublik Deutschland Karriere macht und vor der Aufdeckung seiner Jugendirrtümer zittert.
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Ein kühnes Meisterwerk dokumentarischer Literatur liegt neuerdings in deutscher Übersetzung vor: der Roman Sonnenschein der kroatischen Schriftstellerin und Literaturkritikerin Daša Drndić. Die Autorin greift die reale Geschichte einer italienisch-jüdischen Familie auf, der es – wie anderen auch – gelungen war, durch Anpassung und mit faschistischem Parteibuch dem Horror der Judenverfolgung in Italien zu entgehen.
Eine 70 Seiten umfassende Namensliste der ungefähr neuntausend Juden, die aus Italien oder aus von Italien besetzten Ländern zwischen 1943 und 1945 deportiert oder dort ermordet wurden, bildet das Kernstück eines eigenwilligen Erzählwerkes, dessen real-fiktive Spuren die Autorin schließlich bis zu Thomas Bernhard und seiner Lebensumgebung in Oberösterreich führt.
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Der in Wien lebende Zeichner, Maler und Schriftsteller Anselm Glück ist einer der bemerkenswertesten Randgänger der österreichischen Gegenwartsliteratur. In seinem dritten Prosabuch ohne titel (1984) lässt er schriftlich fixierte Teile nacherzählter Wirtshausreden und Passagen einer auf Objektivierung und Genauigkeit ausgerichteten Erklärungsprosa aufeinanderprallen. In Wortkaskaden, ausufernden und komplexen Satzverschachtelungen lotet Glück aus, wie sich über so elementare Vorgänge wie das “Sehen”, “Schauen”, “Vorstellen”, “Erinnern” in sprachlicher Form handeln lässt, und mehr noch: wie diese scheinbar vertrauten Vorgänge ins Taumeln geraten, ihrer eingefleischten Gewissheiten entraten (Thomas Eder). Alles gute Gründe, dieses eigenwillige Buch als ein „Grundbuch der österreichischen Literatur seit 1945“ zu würdigen, am 21.10.2015, 19.00 Uhr, Literarisches Quartier/Alte Schmiede (und am 22.10. um 19.30 Uhr im StifterHaus Linz).
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Die Ausstellung der 100 Bücher, die in vier Jahrzehnten indirekt oder direkt aus dem Literaturprogramm der Alten Schmiede hervorgegangen sind, ist noch bis 16.10.2015, montags bis freitags von 14.00 bis 18.00 Uhr in der Galerie der Literaturzeitschriften in der Alten Schmiede zu sehen.
Sie sind wieder herzlich zu den Begegnungen mit unseren literarischen Gästen und zum Besuch der Ausstellung eingeladen von
Ihrem Neumann, Kurt und dem Literatur-Team der Alten Schmiede