> Ermunterungsbrief November 2015
Geschätzte den Dicht- und Erzählkünsten Verbündete,
Raoul Schrott ist ein vor Begeisterungsfähigkeit und literarischer Entdeckungslust sprühender Dichter, Übersetzer und Wissenschaftler. Seine Forschungen und Hypothesen stoßen zwar bisweilen auf Skepsis und Gegnerschaft, häufig bei universitär etablierten Philologen, das kann ihn jedoch nicht davon abhalten, sich immer wieder mit alten und verschütteten Traditionen zu befassen.
In seinem neuen Gedichtband Die Kunst an nichts zu glauben führt er einen Dialog zwischen seinen an Szenen und Momenten des alltäglichen Augenblicks, „Momenten des unverstellt Gegenwärtigen“ geschärften balladenartigen Prosagedichten, in denen sich Beobachtung und beiläufiges Reimspiel zu Protokollen des Daseins verdichten, und dem Manuale Dell‘ Esistenza Transitoria, einer Kompilation gnostischer und atheistischer Motive aus der abendländischen Dichtungs- und Philosophietradition. Montag, 16.11., 19.00, Alte Schmiede.
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Am Dienstag, dem 17.11., 19.00, Alte Schmiede, stellt der seit vielen Jahren beinahe anonym in Wien lebende deutsche Schriftsteller Ludwig Fels seinen neuen Roman Die Hottentottenwerft vor, der ein finsteres Kapitel deutscher Kolonial-Geschichte aufgreift, indem er von dem scheiternden Liebesversuch zwischen einem daheim perspektivlosen deutschen Soldaten und einem einheimischen Mädchen mitten im Räderwerk von Gewalt, Unterwerfung, Ausbeutung, Auflehnung und Machtausübung erzählt.
Virtuos, aufregend und begeisternd ist die subtile Erzählsprache, die Ludwig Fels für diese Szenerie von Zerrissenheit und Sehnsucht entwickelt, Die Hottentottenwerft zählt sicher zu den am besten erzählten deutschsprachigen Romanen der letzten Jahre – ein Erlebnis, das Sie sich nicht entgehen lassen sollten.
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Der 1978 erschienene Gedichtband vierundvierzig gedichte des 1985 mit vierzig Jahren verstorbenen Dichters Reinhard Priessnitz zählt in seiner methodischen Strenge und gleichzeitigen spielerischen Freiheit ganz unbestritten zu den Geniestreichen der österreichischen Gegenwartsliteratur. Der Herausgeber der ansonsten alle posthum erschienenen Werke von Priessnitz, der Dichter und Universitätslehrer Ferdinand Schmatz, erinnert zusammen mit Reinhard Priessnitz‘ Sohn Konrad, in den letzten Jahren selbst zum Dichter geworden, an diesen wundervollen Gedichtband: Stunde der literarischen Erleuchtung am Montag, 23.11., 18.00, Alte Schmiede.
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Die Schriftstellerin Angelika Reitzer stellt neu zu entdeckende Bücher vor, diesmal von drei Gästen mit biographischem Bezug zur Schweiz: der meist in Wien lebende Autor Lorenz Langenegger und die in Hamburg lebende Autorin und Schauspielerin Monique Schwitter kommen aus der Schweiz, die aus Deutschland kommende Autorin Ulrike Ulrich, lebt nach einigen Jahren in Wien, seit 2002 in Zürich.
Präzise Beobachtung und sorgsamer Umgang mit der Sprache ist allen drei Büchern gemeinsam: Langenegger konfrontiert uns mit einem »normalen«, ein wenig sonderbaren Schweizer, der Bern und die Schweiz verlässt. Sein Roman besticht u.a. durch die Modellhaftigkeit einzelner Sätze und Aussagen. Monique Schwitters »recherche amoureuse« über die Männer und die Liebe im Leben der Protagonistin ist ein Spiel mit dem Autobiographischen in der Literatur, dem Schreiben an sich, das aus dem Vollen schöpft. Ulrike Ulrichs Storys sind kunstvoll in ihrer Konstruktion, den Perspektivenwechseln und im Understatement. Viel Luft – auch Unerhörtes – in New York, Paris, Zürich, Wien und Rom, wo Ulrichs Protagonisten draußen sind. (Angelika Reitzer)
Anmerkung für Interessenten der Riten der Literaturvermarktung: Monique Schwitters Roman Eins im Andern stand in der Endauswahl zum Deutschen Buchpreis 2015.
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Am 30.11. (ab 14.00) und 1.12. (ab 10.30) veranstaltet das Institut für Sprachkunst ein Symposium unter dem Motto VERFRANSUNG: Sprachkunst und die anderen Künste in ihren sozialen, ökonomischen und ästhetischen Feldern, das textuelle Verfahren in verschiedenen Künsten untersuchen wird.
Der Eintritt zu den Vorträgen in der Universität für angewandte Kunst im benachbarten Heiligenkreuzerhof und zur Abendveranstaltung in der Alten Schmiede am 30.11. um 19.00 mit Ann Cotten, Franz Josef Czernin, Swantje Lichtenstein, Monika Rinck, Doron Rabinovici, Peter Rosei, Kathrin Röggla, Anja Utler, Andrea Winkler und Josef Winkler ist frei.
Information unter www.dieangewandte.at, Anmeldung für die Sessionen im Heiligenkreuzerhof unter sprachkunst@uni-ak.ac.at bzw. T: +43-1-71133-2243.
Sie sind wieder herzlich zu den Begegnungen mit unseren literarischen Gästen und zum Besuch des Symposiums der „Angewandten“ eingeladen von
Ihrem Neumann, Kurt und dem Literatur-Team der Alten Schmiede