Ermunterungsbrief März 2018
Geschätzte den Dicht- und Erzählkünsten Verbündete,
An vier Abenden im März findet die dritte Ausgabe des Hörspielfestivals Horchposten statt, das die österreichische Autorin FALKNER in der Alten Schmiede kuratiert. Ins Zentrum stellt Falkner dieses Jahr die Frage nach den Möglichkeiten und institutionellen Rahmenbedingungen für Gesellschaftskritik im Hörspiel. Der erste Teil am Montag und Dienstag, 5. und 6.3., lädt zum Hören und zur Diskussion über Sprache und Narrative in den Hörspielinszenierungen und den Texten von Elfriede Jelinek ein. Neben Ausschnitten aus Jelinek-Hörspielen wird am Montag die einstündige Kurzfassung des 2017 entstandenen Am Königsweg vorgeführt. Gäste des Podiums sind Herbert Kapfer, bis vor kurzem Leiter der Hörspielredaktion des Bayerischen Rundfunks und der langjährige Sender-Verbündete von Elfriede Jelinek, Rita Thiele, die als Dramaturgin an zahlreichen Theaterinszenierungen Jelinekʼscher Texte beteiligt war, Gerhard Scheit, der sich in Essays und Buchpublikationen sowohl mit Formen des politischen Engagements als auch mit Elfriede Jelinek beschäftigt hat – Beginnzeit jeweils 19 Uhr.
Im zweiten Teil gilt das Ohr allgemein den subversiven Tönen in der Geschichte des Hörspiels und in seiner Gegenwart. Am Mittwoch, 21.3., blickt zunächst um 19 Uhr ein Vortrag von Jochen Meißner, der mit seinen Hörspielkritiken seit Jahren Maßstäbe setzt, in die Geschichte. Seine Ausführungen wird er an verschiedene Hörbeispiele knüpfen. Um 20 Uhr ist die Hörspielregisseurin Iris Drögekamp zu Gast, deren Arbeiten das Bild einer politisch reflektierten Regisseurin zeichnen. Ihre Hörbeispiele entstammen Inszenierungen nach Texten österreichischer Autoren. Um 21 Uhr diskutieren die Genannten sowie die Medienkünstlerin und Hörspielregisseurin Renate Pittroff mit Falkner zur Frage: Welche thematischen Zugriffe sind gegenwärtig im Hörspiel möglich und durchsetzbar?
Am Donnerstag, 22.3., stellt Falkner eine Auswahl der Hörstücke vor, die zum diesjährigen Horchposten-Thema eingereicht wurden. Zur Teilnahme eingeladen waren in Österreich lebende und arbeitende Hörspielschaffende, die ihre Arbeiten außerhalb der großen Sendeanstalten realisieren. Felicitas Braun, Anna Haslehner, Mieze Medusa, Jörg Piringer und Bruno Pisek haben ihre Teilnahme angekündigt. Nach Vorführung ihrer Hörstücke sprechen sie mit Falkner über ihre Arbeit und die Produktionsbedingungen – Beginn: 19 Uhr.
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Die Gelegenheiten, die große österreichische Dichterin Friederike Mayröcker aus ihrem Werk lesen zu hören, sind selten geworden. Am Donnerstag, 8.3., 19 Uhr, trägt sie in der Alten Schmiede aus ihrer jüngsten Prosa Pathos und Schwalbe vor. Kurt Neumann, der die Lesung einleiten wird, schreibt über das Buch: Friederike Mayröcker setzt mit »Pathos und Schwalbe« ihr solitäres, mit allen möglichen Konventionen brechendes poetisches Existenzprotokoll fort. Syntaktische Regeln und literarische Gesetzmäßigkeiten werden nach Belieben aus den Angeln gehoben, und nun beginnt die mittlerweile 93-Jährige auch mit dem Ordnungsprinzip ihrer letzten Prosabücher, der Datierung und chronologischen Reihung von kürzeren Textfeldern, zu spielen. Die Datierung selbst wird zum Baustein des fragmentarischen Erzählens, setzt erst nach einem etwa 30-seitigen Feuerwerk der Sprach- und Gedankenverwandlungskunst ein, das als Exposition der großen Prosakomposition gelesen werden kann. […]
Motivische Entwicklung von Erinnerungen, Beschreibungen, Beobachtungen, Briefansätzen, minutiösen Gedankennotizen, Träumen, Zitaten verschiedenster Kunstwerke ist das tragende Element der Prosadichtung Mayröckers. Eine Gliederung in drei mit unterschiedlichen Spaltenbreiten markierte Textebenen ermöglicht zwischen diesen Echoeffekte und bildet die Basis für ein nun offen geführtes Spiel von Verhüllung, Enthüllung und Aufklärung.
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2013 war dem Gesamtwerk Peter Henischs in der Alten Schmiede ein viertägiges Colloquium gewidmet, das in der Aufsatzsammlung Spuren im Möglichkeitsraum (Hg. Martin Kubaczek, Daniel Terkl) auch dokumentiert ist. Nun wird der Roman Die kleine Figur meines Vaters in die Reihe der Grundbücher der österreichischen Literatur seit 1945 aufgenommen. Am Montag, dem 12.3., um 19 Uhr, liest Peter Henisch aus seinem Roman, gefolgt von einem Referat des österreichischen Literaturwissenschaftlers Klaus Amann, der über Die kleine Figur meines Vaters u.a. schreibt: Peter Henischs Buch erzählt von einem kleinen Mann, der trotz einer jüdischen Mutter einer der prominentesten Bildberichterstatter des Dritten Reichs und insbesondere ein Star der fotografischen Dokumentation seiner Angriffs- und Vernichtungskriege war – und der trotz dieser prekären ›Karriere‹ auch einer der prominentesten Presse- und Porträtfotografen der Zweiten Republik wurde. Erzählt wird die Geschichte von einem der bedeutendsten Schriftsteller der Zweiten Republik, der das Verstörende und Unbegreifliche im Leben des Fotografen, der sein Vater war, verstehen und begreifen möchte. Er will wissen, »wer Er ist, um mir darüber klar zu werden, wer ICH bin.« Das anschließende Gespräch moderiert Klaus Kastberger.
Wir laden Sie wieder sehr herzlich zur Begegnung mit unseren Gästen ein,
Ihr Literatur-Team der Alten Schmiede