22.3.2021 Mo, 19:00 Literatur |
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28.1.2021 Do, 19:00 Literatur |
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3.12.2020 Do, 19:00 Literatur |
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Grundbücher der österreichischen Literatur seit 1945
Die Veranstaltungsreihe Grundbücher der österreichischen Literatur seit 1945 wurde im Jahr 2001 vom Literarischen Quartier der Alten Schmiede gemeinsam mit dem Adalbert-Stifter-Haus in Linz, das den Literaturwissenschafter Klaus Kastberger (Österreichisches Literaturarchiv Wien) mit der Konzeption beauftragt hat, ins Leben gerufen. Die Grundbücher werden im Rahmen von Lesungen jeweils aus schriftstellerischer und literaturwissenschaftlicher Perspektive vorgestellt und die skizzierte Fragestellung durch Referate und Gespräche erschlossen. Jährlich werden vier dieser Grundbücher ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt, Bücher, denen aufgrund ihres Themas oder ihrer Form eine exemplarische Stellung zukommt oder solche, die eine spezifische Wirkung in der literarischen Öffentlichkeit entfaltet oder einen besonderen Einfluss innerhalb des zeitgenössischen schriftstellerischen Schaffens in Österreich ausgeübt haben._
Dokumentationsbände der ersten 75 Grundbuch-Veranstaltungen sind 2007, 2013 bzw. 2019 in der Buchreihe profile des Wiener Zsolnay Verlags erschienen.
Der Literaturwissenschaftler und Dichter Michael Hammerschmid analysiert in dieser Ausgabe des Hammer das Projekt und den ersten Band der
Dokumentation dieser Veranstaltungsreihe.
Grundbücher 66-70: Jonke – Menasse – Henisch – Faschinger – Pauli
66 – Gert Jonke: Es singen die Steine. Ein Stück Naturtheater (1998)
Evelyn Deutsch-Schreiner: In Es singen die Steine. Ein Stück Naturtheater von Gert Jonke brüllen Felswände, behindern und verweigern sich Wald- und Obstbäume. Die Natur und einige Menschen leisten Widerstand gegen Ausbeutung, Gentechnologie, Überbürokratie und Großkonzerne. Wildgruber, einer, der vom Himmel gefallen ist und über drei Zaubermittel verfügt, versucht vor der drohenden Apokalypse zu helfen. Doch muss er sich auch selber finden. Gert Jonke zählt zu den bedeutenden sprachmächtigen österreichischen Dramatikern, die um die Jahrtausendwende beigetragen haben, die Theaterästhetik in Richtung postdramatisches Theater weiter zu entwickeln. Eine Re-Lektüre nach 20 Jahren zeigt, dass das Stück, das 1998 uraufgeführt wurde, nicht nur thematisch nach wie vor brisant, sondern auch in Dramaturgie und Sprache reizvoller denn je ist.
67 – Robert Menasse: Die Vertreibung aus der Hölle (2001)
Konrad Paul Liessmann: Robert Menasses Roman Die Vertreibung aus der Hölle, erschienen im Jahr 2001, gehört zu jenen Grundbüchern der österreichischen Literatur, die formal
Grundbücher 61-65: Ujvary – R. P. Gruber – Haslinger – Schindel – Valencak
61 – Liesl Ujvary: Rosen, Zugaben (1983)
Red.: Liesl Ujvarys Gedichtband ist im Umfeld der vorangegangenen sprachanalytischen Gedichtsammlungen der österreichischen Gegenwartsliteratur von Reinhard Priessnitz (44 gedichte, 1978 – Grundbuch Nr. 10), Heidi Pataki (schlagzeilen, 1968 – Grundbuch Nr. 26) und Franz Josef Czernin (mundgymnastik&jägerlatein, 1982) zu betrachten. Im Gegensatz zu Priessnitz, Czernin und Pataki, die überlieferte Gedichtformen mit Weiterentwicklung und »Überdrehung« tendenziell erhalten, dekonstruiert Ujvary deren »Stimmungen« und »Sujets« samt ihrem affektiv markierten Wortmaterial, die in der prismatischen Brechung ihrer überwiegend ein-, drei- oder vierstrophigen Gedichte nur mehr schemenhaft zu erkennen sind.
Helmut Heißenbüttel: »Es ist hier zu beobachten, dass die im Grunde einfachen Einzelelemente der sozusagen klassischen Konkreten in etwas Neues überführt werden, was doppelt gelesen werden kann: als Polemik, als banale Lapidarität und als Struktur einer ganz neuen, immer tiefer greifenden Sprachveränderung.«
62 – Reinhard P. Gruber: Aus dem Leben Hödlmosers
… mehrGrundbücher 56-60: Fried – Glück – W. Schwab – Schreiner – G. Fritsch
56 – Erich Fried: Und Vietnam und (1966)
Volker Kaukoreit: Zum Jahresende 1965 forderten 37 Autoren der »Gruppe 47« im Hamburger Magazin »konkret« von der christdemokratischen BRD-Regierung, sich von der militärischen Intervention der USA in Vietnam zu distanzieren. Zu den Unterzeichnern der »Erklärung über den Krieg in Vietnam« gehörten etwa Heinrich Böll, Hans Magnus Enzensberger, Wolfgang Weyrauch und Ingeborg Bachmann. Ein weiterer Unterzeichner war Erich Fried. Mit Fried griff, wie es später die Germanistin und Lyrikerin Ulla Hahn in Bezug auf die deutschsprachige Literatur festhielt, »erstmalig ein namhafter, im bürgerlichen Literaturbetrieb verankerter Autor das [Vietnam-]Thema auf und erzielte damit eine politische Wirkung, die alle anderen Solidaritätslieder um ein Vielfaches übertraf«. Mit seiner Sammlung … und Vietnam und … von 1966 hatte er die verschüttete Tradition des unverblümt sprechenden, politischen Gedichts wiederbelebt. Dafür erntete er nicht nur (vor allem aus oppositionellen Kreisen) Zuspruch, sondern auch herbe Kritik, was sich nicht zuletzt in einer aufgeladenen Auseinandersetzung widerspiegelt,
Grundbücher 51-55: Koestler – G. Kofler – Reichart – Brus – V. Canetti
51 – Arthur Koestler: Die Geheimschrift (1954)
Michael Rohrwasser: Arthur Koestlers Die Geheimschrift ist trotz aller Eitelkeiten ein großes literarisches Dokument geblieben, das vom Ende der Weimarer Republik, der „heißen Phase“ des Stalinismus, von Emigration und Widerstand gegen den Nationalsozialismus erzählt, mit einer Sprachkraft, die auch heutige Leserinnen und Leser in den Bann zieht. Man kann Koestlers Autobiographie, obwohl sie nicht so bekannt ist wie sein Roman Sonnenfinsternis (aber auch der ist schon fast vergessen), als das wichtigste Werk des Autors bezeichnen, und man kann Koestler, zusammen mit George Orwell, Manès Sperber und Alexander Solschenizyn zu jenem kleinen Kreis von Autoren rechnen, die eine gewaltige politische Wirksamkeit entfaltet haben. Der englische Historiker Tony Judt hat in „Das vergessene 20. Jahrhundert“ bedauert, dass Koestler heute vergessen sei, aber dem hinzugefügt: „Eines Tages werden diese Bücher Pflichtlektüren für alle Historiker sein, die sich mit unserem Zeitalter beschäftigen“.
52 – Gerhard Kofler: Poesie di mare e terra. Poesie von Meer und Erde (2000)
Furio
Grundbücher 46-50: Czurda – J. Winkler – Mitgutsch – Spiel – Lebert
46 – Elfriede Czurda: Die Giftmörderinnen (1991)
Heinz-Peter Preußer: Die Giftmörderinnen könnte man als Reminiszenz an den militanten Feminismus verstehen. Aber dieses zugleich beeindruckende und wunderliche Werk der Sprachartistin Elfriede Czurda zeigt vor allem, wie sich Macht verdichtet im gedachten und ausgesprochenen Diskurs, wie sich Welt bildet in der radikalen Prägung unserer Protagonistin durch das Wort, über das sie selbst nicht verfügt – aber ihre Autorin in ganz einzigartiger Weise. Der Titel lässt am letalen Ausgang gescheiterter Paarbindungen von Anfang an keinen Zweifel. Was sich entwickelt, ist deshalb nicht auf Spannung hin erzählt, sondern von erschreckender Folgerichtigkeit. Die Erzählstimme verfügt zugleich allwissend über ihre Figuren, gibt aber auch, fast unmittelbar, Gedankeninhalte als inneren Monolog und als Bewusstseinsstrom wieder: So lässt sich die Erzählposition nie klar fixieren. Der Roman changiert virtuos zwischen den Zeiten und den Redeoptionen, blendet Briefpassagen ein, modelliert die Stimmen der einzelnen Figuren. Aber anders als Döblin interessiert Czurda nicht der befremdliche historische
Grundbücher 41-45: Haushofer – Turrini/Pevny – Streeruwitz – Jandl – Améry
41 – Marlen Haushofer: Die Wand (1963)
Red.: Im Roman Die Wand greift die Autorin Marlen Haushofer einmal mehr auf die Szenerie ihrer Kindheitswelt zurück. Die Geschichte einer Frau, die sich nach einer mysteriösen Katastrophe durch eine durchsichtige Wand von der Zivilisation getrennt sieht und sich mit Hund, Katze und Kuh im Wald durchschlagen muss, polarisierte bei ihrem Erscheinen 1963 im Mohn-Verlag die Kritik. Edwin Hartl bezeichnete das Buch als „vermutlich die originellste Utopie der modernen Weltliteratur: weil sie es wagt, auf alles ‚Originelle‛ zu verzichten“. Hans Weigel verglich es mit Albert Camus’ Die Pest und Daniel Defoes Robinson Crusoe. Im Gegensatz zu Haushofers übrigen Heldinnen gelingt der Ich-Erzählerin der Wand tatsächlich die Befreiung von gesellschaftlichen Fesseln – freilich um den Preis der Ausrottung der Menschheit. Die männliche Welt der Aufrüstung, die die „Wand“ hervorgebracht hat, wird (von der Autorin) mit alttestamentarischer Härte bestraft. Die Wand ist eine Parabel der Existenz, aber auch eine Reaktion auf den Kalten Krieg.
Daniela Strigl: Marlen Haushofers Robinsonade erzählt vom durch
Grundbücher 36-40: Klüger – Czernin – Nöstlinger – Torberg – Ransmayr
36 – Ruth Klüger: weiter leben. Eine Jugend (1992)
Gerüstet mit dem Wissen einer Literaturwissenschafterin und den Lebenserfahrungen einer in den USA etablierten Bürgerin und Universitätslehrerin blickt Ruth Klüger zurück auf die Zeit ihrer Kindheit in Wien, die Verschleppung an der Seite ihrer Mutter in die Konzentrationslager des Nationalsozialismus, ihres Überlebens und Entkommens, bis zu den Studienanfängen und das neue Leben in den USA. Daraus ergibt sich eine eigenartige Mischung aus Unmittelbarkeit und rückblickendem Kommentar, für die Ruth Klügers Buch bekannt und gerühmt wurde. (Redaktion)
Paul Michael Lützeler (Neue Züricher Zeitung): Mir ist keine vergleichbare Biographie bekannt, in der mit solcher kritischen Offenheit und mit einer dichterisch zu nennenden Subtilität auch die Nuancen extremer Gefühle … vergegenwärtigt werden.
37 – Franz Josef Czernin: elemente, sonette (2002)
Nico Bleutge (Süddeutsche Zeitung): In seinem neuen Lyrikband elemente, sonette greift er in einem Nachwort auf die Prinzipienlehre des Empedokles zurück, um sein Schreiben zu erklären. Die vier Elemente Erde, Wasser,
Grundbücher 31-35: Lipuš – Herbeck – Frischmuth – E. Canetti – W.Bauer
31 – Florjan Lipuš: Zmote dijaka Tjaža/Der Zögling Tjaž (1972)
Florjan Lipuš’ Romandebut, 1981 in deutscher Übersetzung von Peter Handke und Helga Mračnikar veröffentlicht und anlässlich des 60. Geburtstags des Autors 1997 im Wieser Verlag neu aufgelegt, handelt vom Internatsschüler Tjaž, Sohn eines Holzfällers und einer Magd, der nicht in die ihm vorgegebenen Ordnungen passt. Tjaž ist ein Winzling, er kratzt an Heiligen, Obrigkeiten, Vorgesetzten, aber auch Mitschülern die Nägel aus den Schuhsohlen. Die relegierte Nini liebt er aus Trotz und Widerspruchsgeist und wird von ihr ver- sowie aus der Schule entlassen. Daraufhin stürzt sich Tjaž von der Kaffeehausterrasse. Der Roman wird aus der Perspektive eines Mitschülers erzählt: Begraben haben wir ihn knapp an der Friedhofsmauer. […] als man den Tjaž in die Grube hinabließ, tauchte aus der Kurve eine Lokomotive auf, die eine Reihe von Waggons hinter sich herzog, beladen mit Schlachtvieh… Zuerst traf uns bis ins Eingeweide die Musik der runden Messer, die unter dem Gewicht der Rinderkörper so stark auf die Gleiskörper drückten, daß durch das Eisen ein Aufstöhnen ging. … [Und dann] geschah das
Grundbücher 26-30: Pataki – Broch – Hackl – Rosei – Artmann
26 – Heidi Pataki: Schlagzeilen (1968)
Julian Schutting: … eine der größten Lyrikerinnen im deutschsprachigen Raum, in der Sprachgenauigkeit und ihrem Witz von Karl Kraus geprägt und vom Kabarett, ähnlich wie die Wiener Schule, nur mit dem Unterschied, daß sie ihr Tief-Weibliches wahrzunehmen und wachzuhalten versteht, ohne sprachverliebtes Herumgescherze.
27 – Hermann Broch: Die Schuldlosen (1950)
Die Schuldlosen ist eines der eigenwilligsten Gebilde der österreichischen Literatur des 20. Jahrhunderts. Aus sechs unzusammenhängenden früheren, fünf neu verfassten Novellen und dazwischengestellten Gedichten komponiert, will es die große Romanform sprengen und zugleich für sich geltend machen. Themen und Schreibweisen, mit denen sich Broch vier Jahrzehnte hindurch auseinander gesetzt hatte, sind in dieses Werk eingeflossen.
Gerald Stieg: Angesichts dieses polyphonen Gebildes ist es nicht immer leicht, Brochs ethisch-politische Intention nachzuvollziehen, die er selbst öfters auf einen einzigen Nenner gebracht hat: es gehe in den Schuldlosen um den Seelenzustand der Deutschen zwischen 1923 und