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Literatur » Schulblog » 2019/20: Beiträge der Sir Karl Popper Schule, Wien 4

24. Juni 2020 By kvas

2019/20: Beiträge der Sir Karl Popper Schule, Wien 4

Die Beiträge der Schülerinnen und Schüler von Barbara Mayerhofer-Sebera entstanden aus der Begegnung mit Margret Kreidl und ihrem Buch Zitat, Zikade. Zu den Sätzen sowie mit Philipp Weiss und seinem Theaterstück Der letzte Mensch.


Ein Text reflektiert die Lektüre von Margret Kreidls Buch Zitat, Zikade. Zu den Sätzen und das Video-Gespräch mit der Autorin:

Kommentar zu Margret Kreidls Alte Schmiede-Lesung

Margret Kreidl scheint in der österreichischen Literaturwelt sehr bekannt zu sein, sie hat viele Bücher und Hörspiele geschrieben und gewann damit auch mehrere Auszeichnungen. Dennoch muss ich, auch nach gründlicher Betrachtung ihrer Werke, zugeben, dass die Autorin mir noch nie begegnet ist. Umso spannender fand ich die Vorlesung, meine Eindrücke dazu finden Sie hier:

Das Buch Zitat Zikade ist tatsächlich ein bunter Mix aus verschiedenen Selbstgesprächen, kurzen biographischen Texten und Gedichten. Dabei steckt anscheinend viel mehr Arbeit darin, als einfach Texte aneinanderzureihen – jeder Text muss noch überarbeitet werden. Auch interessant, wie diese „gesprochenen“ Texte, welche die Autorin niederschreibt, noch geglättet und gekürzt werden müssen, damit sie geeignet sind.

Ihre Arbeitsweise hat mich sehr interessiert – die ganze Recherchearbeit, von der am Ende nur mehr ein ganz kurzer Text übrigbleibt. Dabei ist sie ziemlich gesellschaftskritisch und beschäftigt sich mit Themen wie Wirtschaft – was mir auch beim Lesen aufgefallen ist.

Worauf sich der Titel und Untertitel beziehen, hat mich überrascht. Inspiriert wurde er von dem russischen Dichter Ossip Mandelstam, die Geschichte dahinter fand ich eigentlich ziemlich seltsam. Aber auch schön – das Zirpen hätte eine etymologische Verbindung zum Inspirieren.

Dass die Autorin viel Raum zum Interpretieren lässt und die Leser teilweise verwirrt, sei beabsichtigt. Auf manches kommt man selbst nicht drauf, aber wenn man etwas tiefer gräbt, kann man doch einige Vermutungen aufstellen, da die Autorin die Texte mit Symbolik gespickt hat.

Was ich noch interessant fand, ist ihr Tagesrhythmus. Sie geht frühestens um 3 Uhr nachts schlafen und hat das Mittagessen als Frühstück – ich weiß nicht, was ich davon halten soll.

Im Großen und Ganzen fand ich die Vorstellung besonders interessant, da die Schriftstellerin Margret Kreidl mir als außergewöhnliche und interessante Person erschienen ist. Dabei habe ich neue Sichtweisen, nicht nur zur Literatur, sondern auch über die Welt gewonnen.

Von Konrad Szegedy


 

Folgender kreativer SchülerInnentext entstand als Nachbearbeitung von Philipp Weiss’ Lesung aus seinem Theaterstück Der letzte Mensch:

Vier: Begraben

Liv öffnet die Augen. Schließt sie wieder. Öffnet sie erneut. Sie amtet ein und aus.
Nichts.
Sie schließt sie erneut und reißt sie nun mit einer Kraft auf, die ihren ganzen Körper zum Erbeben bringt.
Immer noch nichts.
Dunkelheit.
Schwarz.
 
LIV Ich sehe nichts. Oder sehe ich doch, aber es gibt nichts zu sehen? Ist die Dunkelheit alles, was noch vorhanden ist? Ist alles Licht, alle Farben, alle Erleuchtung verschwunden? Oder bin ich tot? Ist es so, wenn man tot ist? Ist dann alles Licht, alle Farben, alle Erleuchtung verschwunden?Liv zögert. Sie beginnt zu tasten.

LIV Ich spüre Boden. Aber ich spüre keine Erde. Es ist, als gäbe es hier keine Erde. Ich spüre nur Klumpen von Matsch. Aber keinen Matsch aus Erde. Es fühlt sich nach so viel mehr an … so viel schlimmer.
Der Boden ist weich und hart zugleich. Rau und rutschig. Kalt und warm. Wie kann ein Boden weich, hart, rau, rutschig, kalt und warm zugleich sein, wie kann sich ein Boden so fremd anfühlen, wie kann sich ein Boden so wenig nach Erde anfühlen?

Ihre Finger stoßen auf einen scharfen Gegenstand.

LIV Metall! Nein, Plastik, nein …

Sie wirft den Gegenstand weg und steht auf.

LIV Wieso höre ich keinen Aufprall, wenn ich doch nur schwach geworfen habe? Bin ich an einem Abgrund? Bin ich in einer Höhle? Ist es deswegen so finster? Wieso ist hier niemand? Wieso höre ich nichts? Keine Vögel, keine Kinder, keine Autos, keine Flugzeuge, kein Husten, kein Nießen, kein Schnäuzen, kein Lachen, kein Weinen, keine Stimmen, keine Schüsse, keine Sirenen, keine Handybenachrichtigungen, keine Anrufe, keine Musik, kein Gesang … nichts.
Ich rieche auch nichts. Nicht einmal den in der Stadt allwährenden Gestank von Autoabgasen. Bin ich also nicht in einer Stadt? Oder existieren Gerüche einfach nicht mehr?
Alles ist schwarz. Ich sehe nichts, ich höre nichts, ich fühle nichts, ich schmecke n…

Ruckartig wirft sich Liv auf den Boden. Sie nimmt ihre Hand als Schaufel und kratzt den Boden ab. Vorsichtig führt sie ein Stück Boden zu ihrem Mund.

LIV Was ist, wenn der Boden giftig ist? Was, wenn nicht? Was, wenn der Boden das Heilmittel ist und mich hier wegbringt?
Bevor sie den Matsch essen kann, hört sie plötzlich ein Geräusch.
Trapp. Trapp. Trapp.

LIV Was war das? Hören kann ich also noch. Oder habe ich mir das Geräusch eingebildet? Schon wieder! Diesmal näher. Es hört sich an wie ein Käfer. Wie ein riesiger Käfer. Nein, das bilde ich mir ein. Nur weil es sonst so ruhig ist. Sicher nur ein kleines Stück Ungeziefer.

TRAPP. TRAPP. TRAPP.

LIV Hallo? Ist da jemand? Eigentlich ziemlich dumm von mir einen Käfer das zu fragen. Falls es überhaupt ein Käfer ist. Was, wenn es kein Käfer ist?

Plötzlich spürt sie Wärme. Wärme, die vom Atem des Gegenübers ausgeht. Liv geht vorsichtig und leise zurück.

STIMME Wer bist du?

Liv erschrickt und bleibt stehen.

LIV Du kannst sprechen! Ach, wie froh ich bin, hier auf jemanden zu treffen. Ich bin Liv van der Meer. Wer bist du? Woher kommst du? Was ist hier los? Wieso ist alles schwarz? Wieso bin ich hier? Wo sind noch andere Menschen? Was i…

STIMME Du bist also ein Mensch?

Liv zögert, erschrocken atmet sie ein.

LIV (mit leiser Stimme) Ja. (zögert) Du etwa nicht? Was bist du? Bist du kein Mensch? Wieso kannst du dann sprechen? Wieso …

STIMME Ich bin halb menschlich. Deswegen kann ich sprechen.

LIV (zögerlich) Was ist deine andere Hälfte?

STIMME Ich bin eine Ziege und ein Mensch. Ein Satyr.

Liv ist geschockt, hat sich aber nach kurzem wieder unter Kontrolle.

LIV Das erklärt das Geräusch, als du gekommen bist. Was ist hier passiert? Wo bin ich? Wo ist das Sonnenlicht? Wo sind die Sterne? Wo ist der Mond? Wieso sehe ich nichts?

STIMME Es gibt keine Sonne mehr. Keine Sterne. Keinen Mond. Es gibt keine Vögel. Keine Pflanzen. Keine Natur. Keine Menschen.

Liv atmet schwer, ihre Hände beginnen zu zittern.

LIV Aber wieso? Was haben wir gemacht? Was ist passiert? Was muss nur passiert sein, damit wir keine Sonne, Sterne und auch keinen Mond mehr haben?

STIMME Es gibt Sonne, Mond und Sterne noch, aber wir sehen sie nicht mehr. Nicht, weil wir nicht sehen können, sondern weil es nicht möglich ist sie zu sehen. Wir befinden uns unter all jenem, was uns vor dem Sonnenlicht abschneidet. All der Dreck, der Müll, all das Geld, die Abgase, die giftigen Substanzen, die uns immer mehr verschüttet haben und unsere Welt zerstört haben, liegen über uns. Wir hatten einfach mit der Zeit keinen Platz mehr. Keine Lagerstätten mehr. Nichts. Zuerst ging es mit dem Bauen von Höhlen noch in der ganzen Abfallmenge zu überleben, doch mit der Zeit wurde es immer schwieriger. Es kam zu Überfüllungen und zu Kriegen. Kriege um Platz in einem Haufen Dreck. Die Menschen wurden immer weniger, die Überlebenschancen immer geringer. Bis eines Tages keine Menschen mehr zur Welt kamen, da die nach den Kriegen verbliebenen zu weit voneinander in der Dunkelheit verstreut waren. Du bist der erste Mensch seit langem, den ich finde, der es geschafft hat zu überleben.

Liv sackt in sich zusammen. Ihre Hände zittern. Sie setzt sich am Boden.

LIV Wie konnten wir nur? In unserem Streben nach Besitz. In unserer Gier nach Geld. In unserem Kampf um Liebe. In unserem Drang nach immer mehr. Schwarz. Alles was wir erreicht haben ist Dunkelheit. Dunkelheit, die uns begleitet. Auf Schritt und Tritt. Matsch aus Überresten des herabtropfenden Drecks voller Gier und Hass. Voller Hoffnungslosigkeit und Zerstörung. Voller Verendung, voller Chaos. In einer Welt ohne Sinn. Wir suchten nach Sinn. Den Lebenssinn, wie es so schön hieß. Alles was wir gefunden haben, ist Unsinn in einem Haufen Dreck. Die Villa, von der wir träumten, wurde zu Höhle, zu Dreck. Der Garten, von dem wir träumten, wurde zu Dreck. Das Auto, von dem wir träumten, wurde zu Dreck. Alles wovon wir träumten, wurde zu Dreck. Der Boden, auf dem wir stehen, auf dem wir all das, unsere Zukunft, errichten wollten, ist nichts anderes als das Endprodukt unserer damals schlimmsten Befürchtungen, die sich als wahr entpuppten. Wir griffen nach den Sternen, doch bekamen nur Regentropfen aus Tränen zu spüren.

Liv schließt die Augen und wälzt sich am Boden.

STIMME Das würde ich nicht machen, der Boden ist giftig.

LIV Alles in dieser Welt ist giftig. Jede Berührung, jeder Atemzug, alles. Was ist oberhalb dieser Schicht. Sieht man von dort die Sonne, die Sterne und den Mond?

STIMME Oh nein, die sieht man schon lange nicht mehr. Selbst wenn es einem gelingen würde, sich aus dieser Schicht auszugraben, würde man nach einigen Atemzügen sterben. Die von Schadstoffen gefüllte Luft ist so dunkel, dass kein Licht mehr auf die Erde durchdringen kann. Es wäre der sichere Tod auf der Dreckkruste zu stehen. In gewisser Weise schützt uns diese Kruste also auch.

Liv formt mit den Händen eine Schaufel. Ihr Gefährte merkt nicht, was sie vorhat. Sie schluckt einen großen, verstrahlten, giftigen Patzen Dreck hinunter.

STIMME Nein!

LIV Ich schmecke Hoffnung. Ich sehe Licht. Ich rieche Blumen. Ich höre Musik. Ich spüre Erde. Ich werde wieder sehen, wieder gehen, wieder lachen, wieder singen, wieder tanzen, wieder umfallen, wieder aufstehen, wieder lieben.

Ich werde wieder LEBEN.

Liv schließt die Augen und erstarrt.

(Der/Die BeiträgerIn möchte anonym bleiben)

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